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Fake News im Umgang mit Hunden

Fake News sind ja schwer „in“ zurzeit. Viele Menschen präferieren nachweislich falsche Informationen, anstelle sich mit tatsächlichen Fakten auseinanderzusetzen. Warum das so ist, ist Aufgabe von Fachleuten dies herauszufinden. Meine Vermutung lautet, dass es eben sehr viel einfacher ist, leicht verdauliche Kost zu schlucken, als oftmals komplexe Sachverhalte verstehen und verinnerlichen zu wollen. Auch ist es natürlich viel bequemer, einfach so weiter zu machen wie bisher, als z. B. einschneidende Lebensgewohnheiten zu verändern und alt bewährte Philosophien über Bord zu werfen. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Wir klammern uns gerne an das, was wir kennen. Neues macht Angst. Neues ist „huh!“. Neues fordert.

Auch in der Hundeerziehung trifft man auf extrem viele Fake News. Von einer Generation zur nächsten werden Informationen weitergegeben und als Fakten verkauft. Sie werden unreflektiert übernommen und ganz selbstverständlich für wahr gehalten – es scheint sich um unumstößliche Gesetzmäßigkeiten zu handeln, die nicht mehr hinterfragt werden. Dass es hierfür weit und breit keine Belege oder gar wissenschaftliche Arbeiten gibt, die diese Thesen belegen würden, das interessiert absolut niemanden. Wie das eben so ist mit Fake News. 

 

Vor ein paar Tagen diskutierte ich zum Beispiel mit einer jungen Frau (es sind eben noch nicht einmal nur die „Alten“, die es „immer schon so gemacht haben“, und es aus diesem Grunde auch nicht mehr verändern wollen, sondern erschreckend viele junge Leute, die eigentlich offen für Neues sein müssten) über das leidige Thema „Angst bei Hunden durch Trost und Zuspruch verstärken“. Ich erklärte ihr, warum diese unter Hundebesitzer*innen fest verankerte "Weisheit" falsch ist. Ich lieferte Studien, die eindeutig aufzeigen, dass es – eben genau wie unter Menschen auch – notwendig ist, Hunde in ängstigenden Situationen nicht zu ignorieren und sie nicht mit ihrer Angst allein zu lassen. Ich erklärte ihr, dass es rein lerntheoretisch unmöglich sei, durch Hinzufügen von etwas Positivem eine schlimme Situation schlimmer zu machen. Ich erklärte ihr, was Social Support bedeutet, und dass dieser überall unter Säugetieren vorkäme und eine wichtige Funktion hätte: Schlimme Dinge besser aushalten und durchstehen, und im besten Fall sogar besser machen zu können.  

 

Alternative Fakten

Die junge Frau blieb beharrlich und leidenschaftlich bei ihrer Meinung, dass sie dennoch Recht haben müsste. Sie erklärte, dass sie das gegoogelt hätte und – und das war für sie der ausschlaggebende Beweis –, dass sie den Hundeführerschein gemacht und bestanden, und dass dies dort genau so gestanden hätte. Und dass die Menschen, die sich die Fragen des Hundeführerscheins ausgedacht hätten, Experten seien, die sogar Bücher geschrieben hätten, und die selbstverständlich wissen würden, was sie in einen Prüfungsbogen schrieben. Und schließlich, wer sei ich schon, dies anzuzweifeln nichts als eine traurige Verschwörungstheoretikerin, die ihre Hunde vermenschliche (konstatierte mir dann ein anderer).

 

Aus der Sicht dieser jungen Frau ist es nicht einmal unverständlich, dass sie denkt, wie sie denkt. Ich verstehe das. Ich habe auch meine Quellen, denen ich vertraue, ohne sie permanent zu überprüfen. Wenn ich z. B. Nachrichten auf den öffentlich-rechtlichen Sendern schaue, vertraue ich automatisch auch auf unabhängigen Journalismus. Oft genug wird aber auch hier ganz sicher in gewisser Weise manipuliert. Doch auch ich will glauben, dass es Gut und Böse gibt und die Bösen niemals Recht haben können. Das ist ein Fehler. Prinzipiell sollte man alles hinterfragen.

 

Die junge Frau möchte ihrem Hund helfen, indem sie ihn ignoriert, wenn dieser Angst hat, weil „Experten“ dies für sie glaubwürdig so als „Fakt“ verkauft haben. Sie vertraut diesen Personen und Google auch. Dass die Leute, die sie für Experten hält, gar keine im eigentlichen Sinne sind, dass es sich bei diesen Menschen eben um genau jene handelt, die noch der veralteten und auf Irrtümern beruhenden Lehre Konrad Mosts (und sogar der hat vor über 100 Jahren ein Buch geschrieben, in dem er sein Verständnis über Hunde festhielt) verhaftet sind, dass dies Menschen sind, die sich in der Regel nie haben aus- und weiterbilden lassen, die häufig autodidaktisch „seit 30 Jahren“ Hunde erziehen und daraus ihre eigene Methode „gebastelt“ und sogar als Ausbildungsphilosophie vermarktet haben; und dass diese Personen überhaupt nur zu Wort kommen durften, weil die zuständigen Ämter noch weniger Ahnung von Kynologie haben (woher sollten sie auch?); und dass moderne Trainer*innen bis vor Kurzem noch nicht das Standing hatten und nicht ernst genommen wurden, um zu Rate gezogen zu werden; dass wir uns mitten im Umbruch befinden und die moderne Schule mit wissenschaftlich basiertem Wissen erst jetzt langsam, aber stetig, immer mehr Fuß fasst – das wollte sie nicht hören und erst recht nicht glauben. 

Fake News mit fatalen Folgen für Hunde

Im Hundetraining werden sehr viele Fake News verbreitet. Das wäre ja an und für sich gar nicht mal so schlimm, wenn dies nicht automatisch in äußerst negativen Konsequenzen für den Hund münden würde.

Im zwanghaften Bestreben, Rudelführer sein zu müssen und als Dominanz missinterpretierte Klassiker wie Aufreiten, an der Leine ziehen, Hochspringen, Knurren, auf dem Sofa liegen, Jaulen beim Weggehen, in die Wohnung pinkeln, dem Menschen überall hin folgen wollen usw., wird hündisches Verhalten immer noch viel zu oft mit sehr einfachen, aber aversiven, brutalen und unfairen Methoden bekämpft.

Immer noch werden Hunde auf den Rücken gedreht, gewürgt, gekickt, geschlagen, ins Fell gepackt und geschüttelt, es werden Ketten auf den Boden geworfen, um sie zu verängstigen, oder sie werden bespritzt und besprüht, sie werden mit Strom geschockt, mit Stachelhalsbändern malträtiert, bis sie blutige Löcher im Hals haben, sie werden ignoriert beim Nachhausekommen, damit der Hund keinen Höhenflug bekommt, ignoriert beim Weggehen, bei Angst- oder vermeintlichem Fehlverhalten, sie werden körpersprachlich bedrängt, bedroht, gehemmt, angeschrien und massiv unter Druck gesetzt. Man könnte meinen, Hunde wären unsere schlimmsten Feinde. Wir verhalten uns hochgradig asozial gegenüber einem sozialen Wesen, und Fake News rechtfertigen dieses Verhalten. Sie vernebeln häufig durch wohlgewählte Euphemismen wie "Impuls", "Korrektur", "soziales Lernen" oder anderem den brutalen Umgang und suggerieren uns die unabdingbare Notwendigkeit dieses Vorgehens – denn schließlich muss dem Hund sein Platz in der Welt gezeigt werden, und das geht anscheinend nur so.

Viele Hundebesitzer*innen möchten diesen Umgang gar nicht praktizieren. Doch immer noch zu viele von ihnen glauben den „Experten“ auf den Hundeplätzen und im TV, sie übernehmen die Fake News, sie verteidigen und verbreiten sie weiter. Sie verlieren die Fähigkeit, ihrem Bauchgefühl zu folgen und darüber zu reflektieren, ob das, was sie tun, wirklich richtig sein kann.  

 

Dabei sind andere Lösungen schon längst vorhanden. Rational betrachtet gibt es ebenso wenig Gründe, Hunde über Gewalt zu erziehen, wie es heute auch keine mehr in der Kindererziehung gibt. "Ein bisschen Haue hat noch keinem geschadet..." Mit diesem Satz ist heute kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Im Gegenteil: Heute ist es zum Glück gesellschaftlich verpönt, Kinder zu schlagen. Dass dies dennoch noch viel zu oft geschieht, hat viele andere Gründe, die ganz sicher auch unter Hundebesitzer*innen keine unwesentliche Rolle spielen: Überforderung, fehlende Impulskontrolle, mangelndes Wissen, aber auch eigene Gewalterfahrungen, Machtausübung, Frustventile, das Ausleben von Gewaltphantasien u. v. m.

Theoretisch weiß heute jeder, dass Gewalt niemals die Lösung ist, dass Gewalt Gegengewalt erzeugt und nichts als negative, verheerende Folgen hat. Und diese erforschte und belegte Gesetzmäßigkeit gilt nicht nur unter Menschen. Sie gilt ebenso für Mensch-Tier-Beziehungen. Nur wird sie hier immer noch gesellschaftlich toleriert.

 

Die Lawine rollt

Es gibt noch sehr viel zu tun auf dem Weg zu einem besseren Verständnis unserer Hunde, das dann automatisch auch zu einem respektvolleren, gewaltlosen Umgang und einer fairen Kommunikation führen wird.

Ich habe keine Lösung dafür, wie ich Menschen dazu bringen kann, Fake News zu entlarven und abzulehnen. Und manchmal bin ich sehr verzweifelt und frustriert über die für mich ausgesprochen absurden Argumentationsketten, denen ich immer wieder, fast täglich, begegne. Für mich ist es so ähnlich, als müsste ich mit den Menschen darüber diskutieren, ob die Erde rund ist oder eine Scheibe. Um bei dem hier aufgeführten Beispiel zu bleiben: Ein Kind in Angst zu ignorieren gälte als asozial. Einem Hund in Angst zu helfen gilt als Vermenschlichung - warum? Weil das Wissen um neurologische Erkenntnisse (und Bauchgefühl) fehlen. Das ist sehr traurig, fatal und eine unermessliche Ungerechtigkeit gegenüber unserem angeblich "besten Freund" auf vier Pfoten.

 

Mein Weg wird jedoch weiterhin die Aufklärung bleiben. Ich versuche mit Fakten statt mit "alternativen Fakten" zu punkten, indem ich nachvollziehbare Beweise, sowohl in der Theorie als aber auch vor allem in der Praxis (sprich: erfolgreiche gewaltfreie Trainingsmethoden) liefere, die jeder theoretisch selber auf Richtigkeit und Erfolg überprüfen kann.

Immer mehr Menschen öffnen sich dieser neuen Welt, und allein das ist es wert, am Ball zu bleiben. Ein deutliches Umdenken findet statt. Und wie bei jedem Wandel ist es zunächst immer erst ein kleiner Stein, der letztlich eine ganze Lawine auslösen wird. Unsere Lawine ist bereits im Rollen. #PositiveRocks!