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NEIN!

Dem Menschen liegt das Nein-Sagen im Blut. Ich gestehe, als ich unter die Hündeler ging, war ich genauso: "Willi nein" hier, "Willi nein" dort, "Willi nein" den ganzen Tag. Mir ist das gar nicht so aufgefallen, doch mein späterer Ausbilder, bei dem ich schon recht früh begonnen hatte, Seminare zu besuchen, hat mir das mal vor einiger Zeit schmunzelnd gesteckt. Er meinte, so ging das die ganze Zeit. Unverschämtheit, gar nicht wahr. Oder doch? Wie peinlich :)

Aber gut. Aller Anfang ist schwer, ich habe mich weiterentwickelt ;)

 

Wenn der Hund also etwas tut, das ich nicht möchte, kann ich natürlich "Nein" sagen. Sage ich "Nein" in völlig normalem Tonfall, wird der Hund sein Verhalten garantiert nicht unterbrechen. Ich sage also "Nein" mit einem gewissen Nachdruck oder Unterton in der Stimme. Auf gut deutsch: Ich baue Druck auf. Der Hund unterbricht sein Verhalten also nicht etwa, weil ich ihn durch mein "Nein" überzeugt habe, es zu lassen, sondern schlicht aus Angst vor mir. Ich wirke bedrohlich, also unterbricht er sein Verhalten und zeigt vielleicht beschwichtigendes Verhalten, damit die Bedrohung aufhört.

 

Wie geht es nun weiter?

Habe ich einen einsichtigen Hund oder einen, der sich schnell beeindrucken lässt, wird er vielleicht dauerhaft davon ablassen zu tun, wofür ich ihn unter Druck gesetzt hatte. In dem Fall hätte meine Bedrohlichkeit also zum Erfolg geführt, und das sogar noch relativ flott. Vielleicht zahle ich dafür den Preis des Vertrauensverlustes des Hundes in mich und dass mein Hund mich fortan mit einer gewissen Vorsicht genießen wird - die andere schnell mit "Respekt" verwechseln könnten, in Wahrheit natürlich nur der Skepsis gegenüber seinem unberechenbaren Menschen geschuldet ist - aber wenigstens bin ich das eine unerwünschte Verhalten los geworden.

 

Ich behaupte aber, in den meisten Fällen wird der Hund, sobald der Druck wieder

nachlässt – also z. B. wenn ich das Zimmer verlasse oder ich mich anderen Dingen widme – sein Verhalten fortführen. Natürlich kommt es auf die Attraktivität des Reizes für ihn an. Je attraktiver der Reiz, desto wahrscheinlicher wird er das unerwünschte Verhalten wiederholen. Einfaches Beispiel: Essen steht auf dem Tisch und er möchte gerne etwas wegfinden. Ich schreie "Nein", er lässt ab. Ich gehe nach draußen. Ob mein Hund jetzt wohl das Interesse an dem Essen verloren haben wird? :)

 

Wichtige Regeln für Nein-Sager

Wenn ich also dauerhaft mit meinem "Nein" Erfolg haben möchte, muss ich einiges berücksichtigen. Hier mal die wichtigsten Punkte: 

  • Ich muss mein "Nein" so timen, dass der Hund definitiv dieses "Nein" mit seinem Verhalten verbindet. Schließlich muss er ja wissen, was er lassen soll.
  • Ich muss im richtigen Maß bedrohlich sein. Ist mein "Nein" zu wenig furchteinflößend, werde ich keinen Verhaltensabbruch erzielen. Bin ich zu furchteinflößend, nimmt mein Hund möglicherweise seelischen Schaden, verliert das Vertrauen in mich und / oder entwickelt sonderbare Verhaltensstörungen.
  • Ich muss immer in der Nähe meines Hundes sein, damit ich ihn beobachten und rechtzeitig "Nein" schreien kann.
  • Sollte ich nicht in seiner Nähe sein können, muss ich dafür sorgen, dass er das Verhalten überhaupt erst gar nicht ausführen kann, damit er nicht lernt, dass er es kann, wenn er alleine ist. Bestes Beispiel: Auf dem Sofa liegen. Sobald ich das Haus verlasse, springt mein Hund aufs Sofa. In meiner Gegenwart traut er sich das nicht, weil er weiß, dass dies für ihn unangenehme Konsequenzen hat.

 

Ich sollte mich darauf einstellen, dass mein Hund sich an das bedrohliche "Nein"

irgendwann gewöhnt haben wird. Das ist wie bei Kindern oder Ehemännern. Die täglichen Nörgeleien der Mutter oder Ehefrau gehen irgendwann vom rechten Ohr ins linke Ohr und verhallen im All. Wir Säugetiere gewöhnen uns an Unangenehmes. Wir gewöhnen uns sogar an körperliche Schmerzen.

Damit der Effekt des Verhaltensabbruchs also wieder auftritt, muss ich demnach lauter "Nein" schreien oder anderweitig massiver werden.

Wo soll das hinführen?

 

Es stellt sich schnell heraus, dass es enorm schwierig und anstrengend ist, alle diese Regeln im Alltag zu beachten. Wir Menschen sind nur so sehr an das Nein-Sagen gewöhnt, dass es uns meist gar nicht auffällt, dass wir das durchaus jahrelang machen können ohne nennenswerten – also langfristigen – Erfolg und ohne dass uns in den Sinn käme, unsere Strategie zu überdenken. Vielleicht, weil uns die kurzfristige Verhaltensunterbrechung des Hundes einen Erfolg vorgaugelt – der realistisch betrachtet keiner ist. Erfolg wäre es, wenn er das Verhalten nicht mehr zeigen würde.

 

Ok, was soll ich also machen? Soll ich zusehen, wie sich mein Hund genüßlich das Essen vom Tisch holt, weil ich ihn ja gar nicht bedrohen möchte? Das wäre bei der antiautoritären Erziehung sicherlich die Antwort. Im modernen Hundetraining jedoch nicht :)

 

Alternativen bieten statt Nein-Sagen

Wenn ich zu meinem Hund "Nein" sage, enthalte ich ihm eine ganz wichtige Information vor: Ich sage ihm nicht, was er statt dessen tun soll! Würde ich ihm eine Alternative anbieten, hätte er die Chance, etwas Sinnvolles zu lernen: Nämlich ein Verhalten zu entwickeln, mit dem ich, aber auch er, gut leben kann.

 

Bevor er also auf den Tisch klettert und mir meine Weihnachtsgans wegmampft, schicke ich ihn in sein Körbchen, wo er einen leckeren Knochen abnagen darf. Mache ich das regelmäßig, wird er möglicherweise schon bald anbieten, freiwillig in sein Körbchen zu gehen, weil er gelernt hat, dass sich das für ihn lohnt. Er kommt also auf keinen dummen Gedanken, muss gar nicht erst unerwünschtes Verhalten ausführen, für das ich ihn dann bestrafen muss.

 

Kaut der Welpe gerne auf meinen allerteuersten Schuhen oder auf meinen Händen und Armen herum, dann biete ich ihm eine Alternative, auf der er kauen darf, z. B. einem Kong oder einem Spieli, statt ihm ein "Nein" an den Kopf zu knallen, mit dem er rein gar nichts anfangen kann. So lernt er, dass es offensichtlich Gegenstände gibt, die ihm gehören und welche, die nicht für ihn bestimmt sind. Und nebenbei befriedige ich sein Kaubedürfnis, denn der Welpe nagt keine Sachen an, um mich zu ärgern, sondern weil er nagen muss – vor allem vor und während des Zahnwechsels.

 

Möchte mein Hund gerne jagen gehen, wird mein "Nein" sein genetisch verankertes Bedürfnis ganz sicher nicht beseitigen. Biete ich meinem Hund alternative Jagdspiele an, wird er so schnell keinen Rehen mehr hinterherjagen, sondern meinem Felldummy, und gleichzeitig wird sein unauslöschbares Bedürfnis befriedigt.

 

Es ist also kein "Gutmenschentum" warum moderne Hundetrainer den Kunden erzählen, dass sie das "Nein" am besten aus ihrem Sprachschatz verbannen sollten, sondern reine Logik.

Es geht um Kommunikation: Erkläre deinem Hund, was du möchtest, so, dass er eine faire Chance hat, dich überhaupt zu verstehen. Es geht um Lernerfolge. Und letztlich auch um ein wenig Menschenverstand.