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Fragen, die die Welt bewegen: Will mich mein Hund kontrollieren? (Teil 1)

So wie der aussieht, kontrolliert der mich doch! Das muss umgehend unterbunden werden. Oder?
So wie der aussieht, kontrolliert der mich doch! Das muss umgehend unterbunden werden. Oder?

Das hört man oft: Neben Sätzen wie „mein Hund ist dominant“ oder „mein Hund ist stur“ fällt sehr häufig auch der Satz „mein Hund will mich kontrollieren“. Oder auch: „Mein Hund will andere Hunde kontrollieren“.

 

Dabei fällt mir folgende Szene ein:

Gestern war ich aufm Klo. Meine Hunde sind mir die Treppe nach oben gefolgt. Einer hat sich mir auf die Füße gelegt. Der andere in die Klotür. Hammer! Gemäß der Aussagen, was Kontrolle alles umfasst, sind meine beiden wohl ausgewachsene Kontrolleure. Die Frage, die sich mir ganz nebenbei aufdrängt, ist: Was kontrollieren sie eigentlich? Ob ich groß oder klein mache? Ob ich nicht im Stehen pinkle? Ob ich mir danach ordentlich die Hände wasche? Wollen sie nicht, dass ich aufs Klo gehe? Wollen sie, dass ich länger auf dem Klo sitze? Ich habe nicht die leiseste Ahnung! Also sitz ich da so lange ich will und denk nichts Böses.

Heute war ich dann wieder aufm Klo. Meine beiden jedoch blieben unten liegen. Einfach so. Heute sind sie, Gott sei Dank, keine Kontrolleure mehr. Aber morgen vielleicht wieder. Hm.

 

Kontrollverhalten muss auf der Stelle

unterbunden werden

Was unter den Kontrollkundigen alles unter Kontrolle fällt, ist ein weites und für den Kontrollunkundigen teils sehr verwirrendes Feld:

Es gibt Trainer, die ihren Kunden einbleuen: „Achtung! Wenn der Hund sich auf deine Füße stellt, dann will er dich kontrollieren" - und implizit natürlich dominieren.

Kontrollieren will er dich außerdem, wenn er dir überall hin folgt, dich minutenlang hypnotisiert und bellt, um dich aufzufordern, dir eine Kaustange zu geben (der will dich also außerdem auch noch manipulieren), wenn er einen anderen Hund unterbuttert, sich ihm in den Weg legt, nicht aus der Tür lässt oder den Weg zur Küche versperrt.

Der Hund will kontrollieren, wenn er draußen permanent die Gegend scannt, und es gibt bestimmt noch ganz viele andere Situationen, die mir nur gerade nicht einfallen wollen, weil ich zugegebenermaßen auch nicht so die Kontrollexpertin bin.

 

In Fachkreisen (also alles ab 30 Jahre Hundeerfahrung) bekommt man dann den Rat, wenn der Hund einen anderen Hund, vor allem aber den Menschen kontrolliert, dass das Verhalten dann auf der Stelle streng zu unterbinden ist, denn wenn hier irgendjemand irgendwen kontrolliert, dann der Mensch den Hund! Habe ich dann das Verhalten unterbunden durch ein ordentliches „Nein“ oder durch entschiedenes Runterdrücken, Wegschieben o. ä., dann ist die Welt des Hundehalters wieder in Ordnung und gehört ihm allein. Das Problem ist „unter Kontrolle“. Puh, das war knapp!

 

Ich entscheide, ob ich mich kontrolliert fühle

Die Fragen aber, die sich nun einem Menschen, der den Faden etwas weiterspinnt, aufdrängen mag, sind solche:

Ist das unter Verdacht stehende Verhalten eigentlich

wirklich eine Form von Kontrollzwang? Will der Hund mit seinem Verhalten mich oder andere Hunde wirklich kontrollieren? Und wenn er das möchte, welche negativen Auswirkungen könnte das auf mich oder den anderen Hund tatsächlich haben? Und ist es nicht eigentlich so, dass es zwar sein kann, das jemand versucht mich zu kontrollieren, ich aber selber darüber entscheide, ob ich mich überhaupt kontrolliert fühle? Was also, wenn der Hund mich kontrolliert, ich mich aber gar nicht kontrolliert fühle?

Wenn der Hund hingegen nicht kontrollieren möchte, was will er denn dann? Welche Funktion könnte sein Verhalten haben?

Und zu guter Letzt: Was ist denn Kontrolle überhaupt genau? Da hat jeder anscheinend seine eigenen Ideen...

  

Die Definition von Kontrolle

Wikipedia sagt: „Kontrolle ist die Überwachung oder Überprüfung einer Sache, Angelegenheit oder Person und somit ein Mittel zur Herrschaft oder Gewalt über jemanden oder etwas. Eine andere, herrschafts- und gewaltfreie Definition von Kontrolle findet sich beispielsweise im betriebswirtschaftlichen Controlling oder in der handlungspsychologischen Kontrolle eines Individuums über sein eigenes Leben.“

 

Der Hund, wenn er mich kontrolliert, will also die Herrschaft oder Gewalt über mich. Was genau soll das heißen? Sagt der mir dann bald, wann er was und wieviel demnächst in den Napf bekommt? Wann wir Gassigehen? Wohin wir gehen und wie lange wir gehen? Wann wir zum Tierarzt sollten? Wann ich aufs Klo darf und wann nicht?

Da Hunde selten im betriebswirtschaftlichen Controlling-Bereich tätig sind, gehe ich davon aus, dass selbst Kontrollkundige diese Variante als Modell ausschließen würden.

Dass der Hund sein eigenes Leben kontrollieren möchte, denke ich, liegt nahe und gehört wohl zum genetischen Überlebensprogramm eines jeden Lebewesens. Denn Kontrolle über sein Leben zu haben, bedeutet Sicherheit. Und Sicherheit ist lebensnotwendige Voraussetzung um zu überleben.

 

Was wissen wir eigentlich?

Fakt ist aber doch – mal ganz nüchtern betrachtet -, wir WISSEN nicht, ob der Hund uns kontrollieren möchte. Die Wissenschaft hat meines Wissens nach diesbezüglich noch nichts Entsprechendes nachweisen können, und der Hund kann es uns nicht sagen – wie so Vieles.

Fakt ist auch, wir FÜHLEN uns desöfteren kontrolliert, anhand der Beobachtungen, die wir machen. Aber genauso gut sind andere Interpretationen möglich und es könnte sein, dass der Hund uns überallhin folgt, weil er nicht allein sein möchte und Angst hat, weil er Langeweile hat, weil er unsere Nähe sucht – schließlich wurden Hunde darauf auch selektiert, sich eng an den Menschen zu binden. Vielleicht stellt er sich auf die Füße seines Menschen, weil der Untergrund kalt ist, weil er Vertrauen hat oder weil es Spaß macht.